Grundsätzliches zu Arbeit und Alter. Ein Aufruf für unkonventionelles, nachhaltiges Personalmanagement.
„Nicht das Alter ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu.“ Sagt Marcus Tullius Cicero. Und polarisiert damit. Er, einer der hellsten Köpfe der Antike, sah zu seiner Zeit hin und voraus. Das Dilemma zwischen den Generationen ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst.
Schauen Sie mit uns auf die Demografie im Imperium Romanum. Wer im römischen Reich das Alter von 40 Jahren erreichte, galt als alt. Insgesamt war die Bevölkerung jung (unter 25 Jahre) bzw. sehr jung (unter 15 Jahre). Menschen jenseits der 60? Sie hatten Seltenheitswert. Ihr Anteil an der Gesellschaft betrug etwa 5 %.
2‘000 Jahre später
Die Situation hat sich umgekehrt. Die Industrieländer beklagen den Rückgang an Geburten. Jobs bleiben vakant, Ausbildungsplätze unbesetzt. Und trotzdem werden Mitarbeiter frühzeitig in Pension geschickt. Oder nach Schweizer Manier: Dem Reiz der Rente mit 63 konnten viele ältere Arbeitnehmer nicht widerstehen. Eine gut gemeinte Absicht. Konnte ja keiner ahnen, dass das Angebot zum Bestseller wurde. Gut gemeint halt.
Die Frage ist allerdings, ob wir uns derartige Instrumente und solch ein Denken dauerhaft leisten können und wollen. Während die Wirtschaft die Kaufkraft und das Potenzial der Generation der 55plus fest im Visier hat, tun sich die Arbeitgeber schwer. Man könnte erwarten, dass das Festhalten am Jugendwahn überholt sei. Ist es nicht. Doch mit Kandidaten über 45 rennen wir Personalberater keine offenen Türen ein. Erst letzte Woche brachten wir einen fähigen Kopf ins Spiel. Sein Dossier wurde nicht einmal gelesen. Nur, weil er vor 1970 geboren wurde. Hallo?
Leistungswillige mustern wir einfach so aus
Könnte die Vielfalt heutiger Lebensentwürfe beispielhaft für die Personalpolitik sein? Während es völlig okay ist, dass Biografien nicht geradlinig verlaufen, wird bei Karrieren noch der steile Kurs lanciert. Was ist mit den Plänen B, C, D oder E? Es ist Zeit für intelligentere, lebenszyklusorientierte HR-Konzepte. Etliche Schweizer Unternehmen verfolgen bereits diese Strategie. Sie bieten Standortbestimmungen an. Diese Programme richten sich an jüngere (ab 35!) sowie an ältere Mitarbeiter. Sie brechen mit der althergebrachten Wertevorstellung, drehen sich im Wesentlichen um drei Fragen:
- Wo stehen Sie?
- Wo möchten Sie hin?
- Welche Möglichkeiten gibt es?
Bogenkarriere als Option
Bogen, was? Stellen Sie sich Ihr Erwerbsleben wie einen Bogen vor. Erst geht es bergauf - bis der Zenit erreicht ist. Und dann? Belastungen senken, Freiräume gewähren, Verantwortlichkeiten neu aufteilen? Exakt. Prioritäten werden anders gesetzt. Hiess es bisher „Avanti, avanti!“, heisst es nun „Wissen. Können. Bleiben“. Denn, wer hätte das gedacht: Mitarbeiter über 45 Jahre wollen loslegen, sich entwickeln und ihre Stärken einbringen. Das bedeutet, den Menschen zu sehen und ihm lebenslanges Lernen zuzutrauen. Mehr nicht.
Ps: Allen Skeptikern sein ans Herz gelegt: Altern ist nichts für Feiglinge. Einige körperliche und geistige Funktionen lassen nach. Wissen und Wortschatz bleiben, das Urteilsvermögen wächst mit jeder Erfahrung. Nutzen wir diese verkannte Habe.